Das Kriechen der Schnecken
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Im Schneckentempo
Ich finde es tierisch interessant, wie sich Schnecken bewegen: Sehr langsam und sehr unerbittlich. Sie können senkrechte Wände hinaufklettern, aber auch Äste. Glatte Flächen, wie Glas, aber auch rauhe Flächen, rauf oder runter, über Kopf oder beliebig geneigt, auch Sand ist kein Hindernis. Gerhard Schöne singt in seinem Song „Die Sieben Gaben” über die Weinbergschnecke:
Wenn ich dir was wünschen dürfte, mein liebes Kind, wünscht‘ ich dir die sieben Gaben, die nicht leicht zu haben sind. Die Geduld der Weinbergschnecke, ruhig zieht sie ihre Bahn und kommt unbemerkt von allen still bei ihrem Ziele an. …
Das mit den Zielen ist andererseits eine interessante Frage. Natürlich haben Schnecken keine „Ziele“ in dem Sinne, sie haben schließlich kein Bewusstsein und genau darin liegt glaube ich der Clou. Bei ihrem langsamen Herumkriechen können sie in aller Ruhe mit ihren Fühlern und Augen die Umgebung scannen und schauen und probieren, was sich so essbares auf ihrer Bahn befindet.
Wie schnell ist das Schneckentempo eigentlich? Ich habe für zwei Weinbergschnecken die Geschwindigkeit gemessen (siehe Video) und bin auf 3.9 m/h für die schnellere (Hug0 Dynamite, oben im Bild) und auf 2.7 m/h für die langsamere gekommen. Irgendwo in dieser Region wird sich also das Schneckentempo bewegen.
Das Video
Das Video zeigt zwei Weinbergschnecken, bei der Kriechbewegung. Der dicke Thomas Tranig (die zweite Schnecke) ist nicht so fotogen, aber ich habe es einfach nicht übers Herz gebracht, ihn rauszuschneiden, wo er sich doch so angestrengt hat. Man sieht sehr schön, die Wellen die in Fortbewegungsrichtung durch den Fuß laufen.
Die Mechanik des Kriechens
Die dunklen Stellen heißen Fußwellen (pedal waves) und die hellen Stellen Wellenzwischenräume (interwaves). An den dunklen Stellen, die über den Fuß laufen, hebt die Schnecke den Fuß ganz leicht an (µm Bereich), die hellen Stellen bewegen sich mit der Geschwindigkeit der ganzen Schnecke. Wenn du das Video angeschaut hat, ist dir bestimmt aufgefallen, dass die dunklen Wellen viel schneller sind als die Schnecke.
Die Fußwelle läuft bei allen Landschnecken von hinten nach vorne, das ist aber nicht zwingend, es gibt auch Wasserschnecken, bei denen die Welle von vorn nach hinten wandert, obwohl die Schnecke selbst sich vorwärts bewegt. So oder so: Alle Schnecken kennen nur den Vorwärtsgang, keine Schnecke kann rückwärts kriechen. Die Fortbewegung funktioniert so, dass durch das Abheben, nach vorn schieben und wieder absetzen der dunklen Bereiche die Zwischenwellenbereiche etwas nach vorn wandern. Das geht natürlich auch, wenn die Fußwelle von vorn nach hinten läuft.
Die Bedeutung des Schleimes wird wohl überschätzt. Manche Autoren schreiben, dass die besonderen Eigenschaften des Schneckenschleimes für die Bewegung verantwortlich sind. Natürlich ist der Schleim wichtig, allein schon wegen der Haftung, aber im Prinzip kann man auch einen trockenen Schneckenkriechantrieb bauen, das nicht-newtonsche Verhalten des Schleimes ist dazu nicht erforderlich, lediglich eine unterschiedliche Haftung bei unterschiedlicher Schichtdicke (ohne Schleim: Kontakt = Haftung, kein Kontakt = keine Haftung).
Die Mechanik des Kriechens im Detail
Die folgende Animation zeigt, wie das Kriechen der Schnecken ungefähr funktioniert:
1. Du kannst dir vorstellen, dass die Sohle der Schnecke beim Kriechen immer gleich lang bleibt
2. Wenn die Schnecke jetzt anfängt hinten einen schmalen Streifen ihres Fußes anzuheben, wird sie dadurch hinten ein wenig kürzer
3. Das ändert sich auch nicht, wenn der Fuß hinten wieder Bodenkontakt hat
4. Hinten ist die Schnecke jetzt schon ein Stückchen vorwärts gekommen. Die Welle läuft jetzt weiter nach vorn.
5. Wenn sich das abgehobene Stück Sohle dann wieder auf den Boden abrollt, ist die Schnecke vorn endlich auch ein Stückchen weiter gekommen.
In Wirklichkeit ist die Sache natürlich etwas komplizierter, zum Beispiel läuft hinten schon die nächste Welle los, bevor die andere vorn angekommen ist. Im Prinzip ist das aber die Art auf die Schnecken kriechen. Schau dir die Animation weiter oben an, dann siehst du das Ganze noch mal in Aktion. Diese runde Fußwelle ist übrigens das, was Du im Video ganz oben als dunkle Streifen siehst.
Analyse Hugo
Bei der schnellen Weinbergschnecke Hugo habe ich 19 m/h (±2 m/h) , 24m/h (±2 m/h), 31 m/h (±1 m/h) und 21 m/h (±3 m/h) gemessen, also das 5 bis 8 fache der Gesamtgeschwindigkeit (siehe Bild unten).
Analyse Thomas
Bei der langsamen Weinbergschnecke Thomas habe ich 19 m/h (±2 m/h) , 27 m/h (±2 m/h), 25 m/h (±2 m/h) und 22 m/h (±1 m/h) gemessen, also das 7 bis 10 fache der Gesamtgeschwindigkeit (siehe Bild unten).
So wirkt die contrast-limited adaptive histogram equalization
Die Streifen der Fußwelle sind relativ schwierig hervorzuheben, einfach, weil der Kontrast zur Umgebung nicht besonders hoch ist. Die contrast-limited adaptive histogramm equalization arbeitet auf kleinen Bereichen des Bildes und verändert den Kontrast relativ zu umliegenden Pixeln. Deswegen funktioniert sie hier relativ gut.
Wenn Du mehr darüber wissen willst, hinterlasse einen Kommentar, dann schreibe ich mal einen Artikel und erkläre dir den Algorithmus. Ich habe dafür ein kleines Mathematica-Programm geschrieben, da kann man ganz gut sehen, die das funktioniert.
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Das Geräusch der Schnecken beim fressen. The sound of snails eating.
Super aufbereitete Inhalte! Ich finde dein Video „Schneckenrennen“ zeigt die Kriechbewegungen der Schnecken super. Stellst du das Video auch zum Herunterladen zur Verfügung? Denn ich würde das Video gerne meinen Schülerinnen und Schülern zeigen, doch leider haben wir kein stabiles Internet in der Schule.
Liebe Grüße
Katharina
Hallo Katharina,
danke :-))
Hatte Dir das Video schon gemailt, aber Dein Postfach ist zu klein und Maildrop ging gerade nicht.
Schick mir noch mal ne Mail, ja? Dann probiere ich es noch mal!
Liebe Grüße!
Hey, danke für Deine Arbeit. Ich liiiiebe Schnecken. Und wenn sie dann auf der Straße unterwegs sind, setze ich sie in Sicherheit, in die Wiese.
Hoffentlich hat die Schnecke wirklich kein Ziel und fühlt sich auch an der von mir hingesetzten Stelle wohl. Oder wollte sie doch irgendwo hin (zB. wo es gut riecht)?
Wieso kriechen sie überhaupt auf die Straße? In der Wiese ist es doch viel angenehmer und sicherer für sie … *grml*
Warum sieht man Schnecken immer nur baumaufwärts kriechen?
Hallo Andebra,
ich würde sagen, dass das ein psychologischer Effekt ist, Confirmation Bias.
Schnecken klettern generell schon gern an Bäumen hoch, dort wachsen leckere grüne Beläge und unter Umständen ist die Luftfeuchtigkeit angenehmer als direkt am Boden. Kühl und feucht, aber nicht zu feucht.
Allerdings klettern die Schnecken auch irgendwann wieder runter. Tendenziell morgens rauf, tagsüber Nickerchen an der Schattenseite und abends wieder runter und lecker Essen suchen.
vlg
Dr. Stack
Zufallsfund – klasse Blog!
Hey Carsten, Danke!
Schnecken können auch rennen, also sich ausstrecken und wieder zusammenziehen und dabei um 1 Schneckenlänge vorwärts kommen.
Übrigens funktioniert dieses blöde Eingabefeld nicht in Chrome, kein Cursor vor und zurück.
Hallo Peter,
krass! Ich habe die einschlägige Literatur sehr gründlich gelesen, aber nirgendwo steht etwas davon! Hast Du irgendeine Quelle dafür? Das wäre ja sehr spektakulär!